Lange Nacht der Industrie in Hamburg
Die Lange Nacht der Industrie (LNDI) findet immer im Herbst statt und erlaubt Schülerinnen und Schülern, sowie anderen Interessierten Einblicke in viele Unternehmen aus der Region. Die Veranstaltung ist so organisiert, dass man sich online für eine Tour mit zwei verschiedenen Unternehmen anmeldet. Am frühen Abend des jeweiligen Tages fährt man dann von einem Treffpunkt aus mit einem Reisebus zu den entsprechenden Unternehmen. Eine Unternehmensbesichtigung dauert etwa anderthalb Stunden. Ende der Veranstaltung ist dann gegen 22 Uhr.
Ich selber habe im vergangenen Jahr im Rahmen der LNDI das Aluminiumwerk Trimet und das Kohlekraftwerk in Moorburg besucht.
Als erstes stand die Besichtigung des Kohlekraftwerkes an. Gerade wegen den intensiven öffentlichen Debatten im Jahr 2019 bezüglich des Klimawandels und des Kohleausstieges war eine Besichtigung für mich sehr spannend. Am Abend meines Besuches lief das Kraftwerk unter Volllast (= 1,6 GW). Das entsprach ziemlich genau dem Stromverbrauch der gesamten Stadt Hamburg. Und genau so gewaltig wie die erzeugte Leistung war auch die Wasserdampfsäule, die aus dem Schornstein direkt über einem quoll. Bevor wir den Rundgang antreten konnten, gab es erst mal einen Einführungsvortrag vom Leiter des Kraftwerkes. Dieser war, anders als erwartet, ziemlich selbstkritisch. Nach dem Vortrag wurden alle Teilnehmer mit Schutzhelmen und Warnwesten ausgestattet, um den Rundgang anzutreten.
Zuerst wurde das Kohlelager besichtigt. Dieses besitzt das größte Holzkuppeldach Europas. In dem Lager wird die Steinkohle zwischengelagert, wenn sie aus Nordamerika oder Russland eintrifft. Da die Kohle auf organischen Ausgangsmaterial basiert, wird sie beim Kontakt mit Sauerstoff warm. Um einen Brand zu verhindern, werden die Kohleberge ständig umgeschichtet und mit Wärmebildkameras überwacht. 10.000 Tonnen Steinkohle benötigt das Kraftwerk pro Tag. Nach dem Kohlelager stand die Besichtigung der Generatoren und Turbinen an. Wenn man sich vorstellte, dass diese den Strom für ganz Hamburg liefern, wirkten sie ziemlich klein. Die Führung selber war von vielen interessanten, technischen Fakten geprägt. Beispielsweise gibt es an jeder Turbine einen kleinen zusätzlichen Motor. Wenn ein Kraftwerksblock mal abgeschaltet wird, dreht dieser Motor die Turbine weiter, damit das Eigengewicht sie nicht verbiegt. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass dieser Motor versagte und die Mitarbeiter die Turbine von Hand weiterdrehen mussten. Wer eine Vorstellung von dem Kraftwerk bekommen möchte, kann hier einen virtuellen Rundgang unternehmen: https://vtc.view3.com/de/vt/Vattenfall-Kraftwerk-Moorburg
Als nächstes stand die Besichtigung des Aluminiumwerkes Trimet an. Hier wird Aluminium für z.B. Autos, Flugzeuge oder Getränkedosen hergestellt. Ausgangsstoff für Aluminium ist Bauxit. Dies ist ein rotes Erz, welches aus Westafrika importiert wird. In Stade wird das rote Erz zu einem weißen Pulver, Aluminiumoxid weiterverarbeitet. Daher kommt auch der große rote See, den man auf Satellitenbildern dort sehen kann. Das Aluminiumoxid wird dann bei Trimet verarbeitet. Nach einem kleinen Einführungsvortrag ging es gleich in die Produktion. Dort wurden uns die Elektrolyseöfen gezeigt. Diese spalten unter extrem hohen Strömen das Aluminiumoxid zu Sauerstoff und reinem Aluminium auf. Wie hoch diese Ströme sind zeigt sich, wenn man eine Büroklammer auf den Boden fallen lässt. Normalerweise würde diese flach auf den Boden fallen. Wegen des starken Magnetfeldes, stellt sie sich jedoch auf die Spitze und richtet sich nach den Feldlinien aus. Die 270 Elektrolyseöfen haben zusammen einen Stromverbrauch vergleichbar mit der Stadt Lübeck. Würde der Strom einmal ausfallen, wäre dies ein wirtschaftlicher Totalschaden. Das erstarrende Aluminium müsste dann mit Presslufthammern aus den Öfen herausgearbeitet werden. Zum Ende der Führung haben die Auszubildenden uns noch gezeigt, wie man das 900°C heiße Aluminium gießt. Als Andenken durfte dann auch jeder einen kleinen Aluminiumbarren mit nach Hause nehmen.
Insgesamt fand ich die beiden Unternehmensbesichtigungen sehr spannend und würde die LNDI an jeden Technikinteressierten weiterempfehlen. Auch für die Berufsorientierung ist es aus meiner Sicht eine gute Veranstaltung, da man sonst selten die Möglichkeit hat, in solche Betriebe reinzuschauen.
Die nächste lange Nacht der Industrie findet am 12. November 2020 in Hamburg und Bremen statt. Der Anmeldezeitraum dafür beginnt im August und ist für Personen ab 14 Jahren mit Erziehungsberechtigten oder ab 16 Jahren ohne Erziehungsberechtigten möglich. Ich empfehle eine frühzeitige Anmeldung, da die interessanten Unternehmen sonst schnell ausgebucht sind. Unternehmen, die sich schon jetzt angemeldet haben, sind z.B. das Mercedes-Werk in Bremen, Coca-Cola in Lüneburg oder Vattenfall in Hamburg. Die ganze Veranstaltung ist von den Unternehmen gesponsert. Es fallen also keine Kosten bei einer Teilnahme an.
Anmeldung und weitere Informationen: https://www.langenachtderindustrie.de/regionen/hamburgschleswig-holstein/
Titelbild: Kohlekraftwerk in Moorburg (Bild: Beocheck, KKW Moorburg, CC BY-SA 4.0 )